29.04.2021
Es war einmal vor langer langer Zeit, da stolperten Papa und ich im Netz über Bilder von Röhrenuhren, die uns beiden gut gefielen. Erster Gedanke: „So ’ne Uhr wär doch ein tolles Geburtstagsgeschenk für den alten Herren“. Nach kleiner Recherche kommt man als Massenmarkt-Verwöhnten schnell in Rage: „Viel zu teuer! Da machen die ordentlich Reibach mit. Das könnte ich selbst viel billiger…“
Aber der Gedanke, der mir im ersten Moment noch scherzhaft durchs Hirn flitzte, schlug wurzeln. Und nach einem sehr inspirierenden Besuch bei Oma Lissy und Opa Heinz, war die Idee geboren eine selbst eine Nixie Uhr zu bauen und sie zum Geburtstag zu verschenken. Allerdings nicht zum kommenden 49er, sondern zum 50er ein gut 1 1/2 Jahre später. Denn natürlich sollte die Uhr sich per Funk stellen können und „richtig große Röhren“ drauf haben. Die Röhrenansteuerung sollte natürlich die Lebensdauer der abgekündigten Röhren nicht verkürzen und diese Möglichst schonend betreiben, sodass sie lange von der blauen Untergrundbeleuchtung in Szene gesetzt werden können.
So startete das Projekt am 19. Oktober 2019 und wird bald am 4. Mai 2021 offiziell an den noch unwissenden ausgeliefert. Wirklich viel günstiger ist die Uhr zugegebener Maßen vermutlich nicht geworden.
Die Leiterplatte, der Schaltplan und die Software sind selbst entwickelt und sind nach viel Recherchearbeit, Vorentwicklung, Entwickeln und Testen aktuell in Revision 2 (Stand 29.04.2021). Neben einem Prototyp der Revision 1 gibt es zwei Exemplare der Uhr. Eine als Geschenk und eine für mich selbst. Auch liegen noch fertig abgepackte Bauteile als Bausatz einer dritten Uhr im Schrank. Genug geredet: Es folgen einige Bilder und für technisch interessierte Leser danach ebenfalls „das Eingemachte“.
Die Technik unter der Haube:
Hier folgt ein nun eine kompakte Darstellung der technischen Umsetzung der Uhr. Um den Beitrag nicht unnötig in die Länge zu ziehen, werden viele Stichpunkte verwendet, um einen Überblick zu geben. Genaue Informationen sind (Schaltpläne, Sourcecode und Layout) sind am Ende als Download verfügbar.
Funktionen im Überblick
- 4x Nixie Tube IN-18 zur minutengenauen Anzeige von: Uhrzeit, Datum & Jahr
- Funkuhr mit automatischem Zeitempfang per DCF77
- blaue Untergrundbeleuchtung in 4 Helligkeitsstufen (Aus, Schwach, Normal, Max)
- Betrieb der Röhren an Konstantstromquellen (6mA)
- Standby Modus
- Automatikprogramm: Nachts Standby + Funkempfang, anschließend Schonprogramm um Kathodenvergiftung vorzubeugen
- Wartungsintervall und Betriebsstundenzähler: Ca. alle 6 Monate Betriebszeit leuchtet eine LED zur Erinnerung an den Positionstausch der Röhren
- Programmierte „Fehlzündungen/Flackern“ der Röhren beim Einschalten (Ein- Ausschaltbar)
- einstellbare Startup Konfiguration (Stärke Untergrundbeleuchtung und Flackern der Röhren beim Start)
- manuelles Einstellen der Zeit beim Start der Uhr möglich
- 12VDC / 1A Stromversorgung (typ. Leistungsaufnahme ca. 9W)
Hardware
Als Prozessor wird ein AVR Atmega 328P auf einem Arduino Nano Board verwendet. Dieser Steuert mit 5x 8-Bit Schieberegistern die 40 Kathoden der Nixie Röhren an. Die Röhren werden durch eine Gleichstromquelle mit 6mA betrieben und nicht zeitlich gemultiplext. Die Betriebs- und Zündspannung der Röhren wird mit einem Boost-Converter generiert. Der uC übernimmt die PI-Regelung der Röhrenspannung, so dass diese in der Software kontrolliert und angepasst werden kann. Das Funksignal wird mittels zugekauftem DCF77 Modul empfangen und im uC geprüft und dekodiert. Als UI werden zwei Taster verwendet und eine RGB LED.
Der Schaltplan kann unten als PDF heruntergeladen werden. Folgend einige Daten zum Boostconverter.
Boost Converter
- Discontinuous Current Mode
- Spannungserhöhung von 12V auf 170V
- Wirkungsgrad ca. 65% im Normalbetrieb
- Maximal erreichbare Spannung 336V (unbelastet)
- Maximaler Ausgangsstrom bei 185V ca. 35mA.
- PI-Regelung in Software
Layout
Das Layout ist eine zweilagigen Leiterplatte und nutzt THT Komponenten. Es bietet Platz zum Aufstecken der vier Röhren, sowie Steckplätze für den Controller, das DCF77 Modul und die Spannungsversorgung. Durch Lüftungsschlitze im Bereich des Boost Converters wird die Verlustleistung der Spule abgegeben. Die Sicherungen können nur bei geöffnetem Gehäuse auf der Leiterplatte ausgetauscht werden (Stecksockel). Zudem ist eine rote Warnungs-LED auf der Leiterplatte die ab einer Spannung von 120VDC leuchtet.
Software
Die Software ist Interrupt gesteuert und arbeitet zusätzlich mit Code Routinen, die längere Berechnungen durchführen.
Das Konzeptbild gibt einen Überblick über die Softwarekomponenten, die eingesetzt werden. Die Software wurde als Projektarbeit an der HFU entwickelt und daher kann man den Aufbau in der dazugehörigen Ausarbeitung nachlesen. (siehe Downloads unten)
Gehäuse
Als Gehäuse wird ein klassisches Holzgehäuse genutzt.
Die Leiterplatte wird an den Deckel der zweigeteilten Umhausung angeschraubt. Die DCF77 Antenne wird in den Boden eingeklebt und anschließen an die Hauptplatine angesteckt. Zur Wärmeabfuhr wird passive Konvektion genutzt. Kalte Luft strömt bei der Programmierschnittstelle in das Gehäuse ein und wird durch die Spule des Boostconverters erwärmt. Durch die Lüftungsschlitze steigt sie durch die Leiterplatte in den Deckel auf und entweicht um die Röhren herum nach außen.
Um eine rustikale dunkle Optik passend zum Orange der Röhren zu erzielen sind die Gehäuse mit Walnussbeize gebeizt.
In Betrieb Der „Deckel“ auf dem Kopf liegend mit Leiterplatte Unterteil mit eingeklebter DCF77 Antenne Ansicht auf die Steckplätzte der Röhren von oben