Ausgesetzt auf einer einsamen Insel

14.12.2017

Die beiden Motoren der kleinen Maschine dröhnen, als wir den Himmel erklimmen. Invercargill, die quadratische Stadt, mit dem winzigen, verlassenen Flughafen, lassen wir hinter uns. Aber alle Blicke sind nach vorne gerichtet, denn schon kurz nach dem das zehn Personenflugzeug über dem Meer schwebt, taucht die Silhouette einer Insel auf: Stewart Island!

Die Freiheit ist grenzenlos und die Sorgen schwinden, als wir gemütlich dahin segeln. Während ich aus dem Fesnter schaue, schweifen meine Gedanken ab und mir kommen die Szenen vor dem Abheben in den Sinn. Nach dem uns Garry, bei dessen Familie wir die vergangen zwei Tage im Garten campen durften, freundlicherweise zum kleinen Flughafen gebracht hatte, warteten wir ungeduldig in der verlassenen Halle des erstaunlich modernen Flugplatzes. Bis sich plötzlich ein Mann mit den Worten; „Ich seh zwar nicht so aus, aber ich bin der Pilot!“, vorstellte und uns auf das Rollfeld fürte.

Jetzt hießt es Kopf einziehen und unter dem Flügel hindurch hinein in die Propellermaschine, der mit vier Fluggeräten dieser Art wohl kleinsten Airline. Und schon geht es los. Fliegen ist offensichtlich das einfachste der Welt, hier in Neuseeland.

Mit einem Ruck werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Über der bewaldeten Insel angekommen, bringen Windböen die kleine Maschine ordentlich ins schwanken. Doch der Pilot hat alles unter Kontrolle und steuert einen Panoramaflug an. Es geht einmal quer über den nördlichen Teil der Inseln. Berge, Wälder und Moore lassen wir unter uns, denn schon bald ist die Westküste mit ihren schönen Stränden erreicht.

Im Sinkflug gleiten wir, an der sich von Sand zu Klippen ständig wechselnden Küste entlang, bis nach einem spektakulären Landeanflug auf dem Strand von Doughboy Bay butterzart aufgesetzt wird. Wir und unsere Rucksäcke werden ausgeladen, bevor das Flugzeug wieder abhebt, der Sonne entgegen.

Guten Flug…

Tja und dann stehen wir da, mitten in der Wildnis… Nachdem der Strand und eine verlassene Piratenhütte (Knochen, Hängematte, Landkarte) erkundet waren, geht es auf den Southern Circuit, welcher quer durch die Insel führt. Wir hoffen an dessen Ende nach vier Tagesmärschen Zivilisation vorzufinden.

Landkarte unserer bevorstehenden Inseldurchquerung
Doughboy Bay (der wohl südlichste Punkt unserer Reise)

Der schmale Pfad führt uns durch den Regenwald einen kleinen Berg hinauf und auf der anderen Seite hinab, wo uns eine Sumpflandschaft präsentiert wird. Das Wetter hat sich zugezogen und immer wieder ergießt sich eine Regenschauer über uns. Mit vorsichtigen Schritten versuchen wir einen trockenen Weg zu finden, wobei der ein oder andere unachtsam gesetzte Fuß auch mal in einer Schlammpfütze versinkt.

Wanderregel 74:

Vertraute niemals dem Untergrund! Scheinbar begehbarer Boden kann sich jeder Zeit, urplötzlich als metertiefes Schlammloch entpuppen.

Voilà, der Weg!

Am Rakeāhua River geht es entlang, durch die matschigen Moore, bis plötzlich wie aus dem Nichts, die nach dem Fluss benante Hütte auftaucht. Das Tagesziel ist erreicht! In der Backcountry Hut finden wir einen Ofen vor, an dem wir, die von der achtstündigen Wanderungen triefendnassen Klamotten trocknen können.

Der Yukon spendet ordentlich Wärme

Tag 2: Auf den Mount Rakeāhua wollen wir hinauf, um eine schöne Aussicht über die Insel zu haben. Die schweren Rucksäcke können wir für den Abstecher in der Hütte lassen. Zum Glück haben wir uns sommerlich gekleidet, denn beim Aufstieg unter der Morgensonne wird einem schnell warm. (Diese Meinung wird schon bald geändert!) Kurz bevor der Gipfel erreicht ist, zieht wie aus dem Nichts ein Sturm auf. Der komplette Berg ist plötzlich in dichten Nebel gehüllt und wir können vor dem prasselden Regen gerade noch hinter einem Fels Schutz suchen. (Vielleicht ist es ja nur eine Schauer)

Viele Steine, müde Beine, Aussicht keine, Heinrich Heine

Nachdem der Regen und Südpolwind nach knapp einer halben Stunde immer noch nicht nachgelassen haben und es langsam doch echt ungemütlich wird, beschließen wir zu rennen.
Im Affenzahn geht es den Berg hinab, während die Wassertropfen fast waagrecht in uns einschlagen. Oh wie schön wär doch jetzt eine Regenjacke!

Wanderregel 642:

Hab immer eine Regenjacke parat. Egal wie sonnig es auch sein mag, auf einem Berg (besonders auf einer kleinen Insel) ändert sich das Wetter schnell.

Wir haben ein Déjà-vu, als wir gegen Mittag triefnass wieder bei der Hütte ankommen.

Werde ich es schaffen den Mudpool trockenen Fußes zu passieren?

Nachdem wir unsere Sachen ein wenig getrocknet haben, geht es weiter den Fluss entlang. Als dieser in den Southwest Arm mündet geht es für uns endlich aus dem Sumpfgebiet hinaus zurück in den Regenwald. Doch ein schnelles Vorankommen ist auch hier nicht möglich, denn der Weg verläuft wiefolgt: Steil bergauf, steil bergab, Bachüberquerung. Sehr steil hinauf, sehr steil hinab, Flussüber- oder durchquerung. Zur Abwechslung wird der Weg auch des öfteren von umgestürzten Bäumen versperrt.

Stecken geblieben!

Müde und hungrig erreichen wir kurz vor totaler Dunkelheit die Freds Hut, in der genüsslich die 50. Portion Spaghetti verspeist wird.

Tag 3:
Um 0815 geht es los. Heute steht ein besonders langer Marsch an. Da die Vorräte langsam knapp werden müssen zwei Etappen gemeistert werden. Duch den Wald geht es genauso weiter, wie es am Vortag aufgehört hat, bis wieder eine Sumpfebene erreicht ist. Rekord: Ich versinke Oberschenkeltief in einem Matschloch. (Wanderregel 74 wurde missachtet!)

Wenn es keinen Weg außen herum gibt…

Pünktlich zur Mittagszeit erreichen wir die Freshwater Hut, in der es Müsli aufgrund von Brotknappheit als Mittagessen gibt. Gut gestärkt geht es mit fast getrocknetem Schuhwerk weiter. Wir kommen gut vorwärts, denn der Pfad führt durch einen nicht mehr allzu unwegsamen Wald.

Kiwi Humor: Kurz vor einem Fluss findet man dieses Schild vor.

Früher als gedacht erreichen wir gegen Abend die North Arm Hut, in welcher wir endlich auf andere Überlebende treffen.
Tag 4:
Auf dem erreichten Great Walk kommen wir mit Leichtigkeit voran. Irgendwie vermisst man hier das Abenteuer, wenn man auf dem hervorragend präparierten Schotterweg dahin schlendert. Schon gegen Mittag ist mit dem kleinen Hafenörtchen Oban wieder die Zivilisation erreicht. Mit einer Packung Kekse aus dem Tanteemmaladen feiern wir, bei einer Partie Riesenschach, unser Überleben.

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